„Du musst professionell bleiben.” „Privates hat hier nichts zu suchen”. „Egal wie es Zuhause läuft, hier geben wir 100%!” „Lass dir das nicht anmerken.”

Na, auch schon diese oder ähnliche Sprüche gehört? Damit bist du nicht allein. Ich habe schon vieles gehört. Ein Geschäftsführer hat mir einmal erzählt, dass er sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hat, nur um einen Kundentermin wahrzunehmen. So wichtig war ihm das. So wichtig findet er sich, fand ich.

Menschen schleppen sich krank in die Arbeit, weil „irgendwer muss es ja machen…” 
Würden sie das nicht tun, hätten sie ein schlechtes Gewissen. Dann lieber so tun, als wäre alles okay. „Nein, nein, ich bin nicht krank, es geht schon.”  Tage später ist dann oft die Hälfte der Belegschaft krank, weil jemand gedacht hat: „Ich muss einfach.”

Es geht weiter: Nachdem ein Attentäter 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und 23 Menschen verletzt hat, wollte ich von der damaligen Geschäftsführung wissen, ob wir (am Tag darauf) ins Büro müssen. Ich wusste von mindestens zwei Mitarbeiter*innen, die lange ihre Verwandten oder Freunde in der Stadt nicht erreichen konnten und denen es dementsprechend nicht so gut ging. Wir hatten auf eine Info über unsere Anwesenheit und/oder über das Attentat selbst gewartet, es kam aber nix, also wurde nachgefragt. Gut. Also, um es kurz zu halten: wir mussten alle ins Büro, weil, wieso nicht? Einfach weiter, weiter. So als wäre nix. “Stärke” zeigen. Weiterarbeiten. Kann ja nicht so schwer sein? Don’t think about the (pink) elephant in the room. 

Ich weiß nicht, vielleicht bin ich eigen, aber ich halte so etwas nur schwer aus.

Warum soll ich so tun, als wäre nichts passiert? Warum soll ich mich krank in die Arbeit schleppen? Warum soll ich ganz normal weiterarbeiten, egal, was Zuhause gerade los ist? Sorry, aber ich finde das idiotisch. 

Menschen, die keine Gefühle zeigen können oder wollen, haben sehr wohl Gefühle. Sie sagen zwar nicht warum, aber alle spüren es: da stimmt gerade etwas nicht. Die Person sagt nichts und macht trotzdem so weiter wie immer. Aber es ist nicht wie immer. Alle wissen es, nur niemand redet darüber. Es ist zum verrückt werden. Ein kurzer Satz: „Es geht mir gerade nicht so gut.” oder „Bei mir ist gerade viel los, sorry für die Wutausbrüche oder für mein Verhalten…”. Irgendetwas. Es verlangt ja niemand, die ganze Geschichte zu erzählen, aber professioneller wäre es zumindest anzumerken, dass es gerade nicht so gut geht. 

Wer versucht, professionell zu wirken, obwohl es ihr oder ihm gerade nicht gut geht, scheitert. Für mich ist es nicht professionell, nichts zu sagen und die Mitarbeiter*innen/Kolleg*innen/Kund*innen im Dunkeln tappen lassen, nur um „zu funktionieren”. Denn unausgesprochenes wird immer größer, alle füllen ihre Kommunikationslücken mit Gossip – auch nicht gerade sinnvoll. 

Come as you are

Je mehr Menschen sie selbst sind, desto besser arbeiten sie. Take that, “Highperformer”. (Natürlich blöd, wenn man privat ein Arschloch ist.) Wenn ich mich (großartig) verstellen muss, wird’s nicht gut werden. Egal ob im Privat- oder im Arbeitsleben. Etwas Anpassungsfähigkeit ist okay, zu viel ist kontraproduktiv. Ständig professionell zu spielen und sich selbst nicht zu spüren, kann gefährlich werden. Niemand „muss” als Mitarbeiter*in oder Führungskraft mitspielen. 

Wer empathie- und emotionslos arbeiten will und das als „professionell” deklarieren will, bitte. Den Job kann in Zukunft sowieso eine Maschine übernehmen…

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