Früher galt: wer in der Firma ganz oben steht, hat das sagen und aus. Heute sollen Mitarbeiter*innen miteinbezogen werden, Führungskräfte sollen Empathie zeigen und mithelfen, die Potenziale der Menschen im Unternehmen zu fördern. Kurz: die Führungsrolle ändert sich (allmählich). Ich habe mit Christine Niedereder, Business Coach und Trainerin, über alte und neue Führungsrollen geplaudert.
Christine, du sagst: Bevor man andere Menschen gut führen kann, muss man lernen, sich selbst gut zu führen. Wieso ist das so wichtig?
Selbstführung bedeutet, die eigenen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen bewusst zu reflektieren und zu lenken. Man lernt zu verstehen, warum gewisse Dinge herausfordernd für einen sind und wieso in manchen Situationen die Emotionen überhandnehmen.
Menschen, die sich selbst gut führen, können Prioritäten richtig setzen, eigenverantwortlich handeln und für sich selbst und ihr Team die passenden Ziele stecken. Das macht sie für ihr Umfeld glaubwürdig und inspirierend.
Im Umkehrschluss bedeutet das also: Wer sich nicht mit Selbstführung beschäftigt, wird es kaum schaffen, andere Menschen durch die täglichen Herausforderungen im Arbeitsumfeld zu leiten. Wenn ich mich selbst nicht motivieren kann, wie soll ich dann andere motivieren? Wenn ich selbst schnell die Fassung verliere, wie soll mein Team dann einen kühlen Kopf bewahren? Wenn ich mit meiner eigenen Zeiteinteilung hadere, wie soll ich dann anderen Menschen beibringen, ihren Aufgaben erfolgreich zu koordinieren?
Ich kann jeder Führungskraft nur empfehlen: Tauchen Sie in dieses Thema ein, dann können Sie ihr volles Potenzial ausschöpfen und Ihre MitarbeiterInnen erfolgreich führen.
Du beschäftigst dich sehr mit dem Thema alte vs. neue Führungsrolle.
Wie unterscheiden sich diese Rollen voneinander?
Aus meiner Sicht gibt es zwei zentrale Felder, in denen sich Führung verändert hat: Zum einen findet ein Wandel statt, der weg von der Kontrolle und hin zur Ermächtigung geht. Das heißt: Im alten Führungsverständnis gibt die oder der Vorgesetzte Anweisungen, die am besten ohne Hinterfragen erledigt werden sollen. Oft wird dabei auch noch starker Druck auf die MitarbeiterInnen ausgeübt und jeder Arbeitsschritt wird überwacht. Wenig überraschend führt das zu einem angespannten Arbeitsverhältnis, in dem Menschen vermittelt bekommen, sie seien inkompetent und nicht vertrauenswürdig.
In der zeitgemäßen Führung schaffen Vorgesetzte Spielraum für eigenständiges Denken und Handeln. Sie ermutigen ihr Team, Ideen einzubringen und eigenverantwortlich ihre Aufgaben zu erledigen. So ermächtigen sie jede und jeden einzelne/n, gute Entscheidungen zu treffen.
Die zweite große Veränderung findet in Sachen Hierarchie statt. „Wir machen das so, weil ich das Sagen habe.“, ist eine veraltete Denkweise. Wer heute noch mit dem autoritären Stil à la „Ober sticht Unter“ führt, wird Probleme bekommen. Die Menschen wünschen sich heute Austausch. Kollaboratives Arbeiten, offene Kommunikation und ein wertschätzendes Umfeld – das sind die Faktoren, mit denen man sich ein motiviertes und qualifiziertes Team schafft.
Es wird heute oft als enorme Herausforderung empfunden, dass sich die Bedürfnisse in der Arbeitswelt scheinbar so gravierend verändert haben. Meiner Meinung nach gab es früher schon die gleichen Bedürfnisse – es haben sich nur zu wenige Menschen getraut, sie offen anzusprechen. In hierarchisch geführten Unternehmen ist das zum Teil immer noch so. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es dort nicht gern gesehen wird, wenn Mitarbeiter*innen ihre Ansichten äußern. Für Individualität und Entfaltung ist nicht viel Platz.
Wer künftig erfolgreich sein will, muss es schaffen, die Unternehmenskultur an die aktuellen Bedingungen anzupassen. Das geht nicht von heute auf morgen – aber der erste Schritt ist, die Bereitschaft zu haben, etwas zu ändern. Wichtig dabei: Holen sie alle mit an Board. Denn es kann in einem Unternehmen nur gemeinsam gelingen, ein neues Verständnis zum Thema zeitgemäße Führung zu schaffen.
Welche Menschen würdest du dir in Führungspositionen wünschen?
An erster Stelle steht für mich, dass es Menschen sind, die gerne Verantwortung für andere übernehmen und deren Weiterentwicklung fördern. Dazu braucht es emotionale Intelligenz und Empathie, damit man als Führungskraft erkennt, wo der oder die jeweilige MitarbeiterIn Unterstützung braucht, und wie ich das Potenzial dieses Menschen am besten wecke.
Außerdem muss eine gute Führungskraft bereit sein, klare – und manchmal auch schnelle – Entscheidungen zu treffen und dafür einzustehen. Dazu braucht es Selbstbewusstsein und Vertrauen in die Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen. Wer es schafft, effektiv zu entscheiden und auch Verantwortung zu übernehmen, wenn einmal etwas schiefläuft, gewinnt Ansehen und ermutigt andere, diesem Beispiel zu folgen.
Kann wirklich jede*r „Führung“ lernen?
Ja – wenn die Voraussetzungen passen. Dabei sind aus meiner Sicht verschiedene Faktoren ausschlaggebend: Man muss sich bewusst machen, was es heißt, andere Menschen gut und fair zu führen. Man muss bereit sein, laufend an sich und seinem Verhalten zu arbeiten. Und es ist wichtig, vorab seine eigene Motivation kritisch zu hinterfragen. Ist mein Anrieb für eine Führungsrolle zum Beispiel ausschließlich Macht oder Geld, wird es eher nicht funktionieren mit der erfolgreichen, zeitgemäßen Führung.
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Wie sieht für dich die Arbeitswelt der Zukunft aus?
Ich bin sicher, dass sich in den kommenden Jahren weiterhin viel ändern wird in Bezug auf Führung und Zusammenarbeit. Der Erfolg eines Teams wird noch stärker von der sozialen Kompetenz der Führungskraft abhängen. Führen durch Macht wird nicht mehr funktionieren.
Zukunftsfähige Unternehmen haben eine Vision vor Augen und klare Werte definiert, für die sie stehen. Führungskräfte müssen daher in der Lage sein, dieses Bild in der täglichen Arbeit glaubwürdig vorzuleben. Damit sind wir wieder bei der Kunst der Selbstführung: Wer an sich arbeitet und sich gut auf die künftigen Führungsthemen vorbereitet, wird es schaffen, andere Menschen in eine positive Zukunft in der Arbeitswelt mitzunehmen.
Über Christine Niedereder
Christine findet: Das Stärken der „social skills“ ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Menschen in Führungsrollen. Deswegen unterstützt sie als Business Coach und Trainerin Führungskräfte und alle, die es werden wollen. Auf ihrem LinkedIn-Kanal und ihrer Webseite 342grad-coaching.at erfährst du mehr über erfolgreiche Selbstführung.
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